am Hohentwiel

Sehr geehrte Damen und Herren,
meine Großmutter wird im November 90 Jahre alt. Wenn wir uns früher treffen wollten, war ihr Terminkalender meist voller als mein eigener. Die Kontaktreduzierungen im letzten Jahr haben ihr sehr zugesetzt. Durch viele Gespräche konnten wir sie im Januar überzeugen sich impfen zu lassen um danach wieder am Leben teilhaben zu können. Inzwischen ist sie wieder richtig aufgeblüht.
Sie trifft sich wieder mit Freunden, besucht meinen Großvater täglich im Pflegeheim und geht im Sommer bei Wind und Wetter ins Aachbad. Sie hat sich dort eine Jahreskarte gekauft. Dort schwimmt sie zwischen 6 und 12 Bahnen. Dafür hat sie meine Hochachtung!

Den Unterschied zwischen Kontaktnachverfolgung und Terminreservierung versteht sie nicht mehr so ganz. Sie weiß, dass man einen "Zettel mit einem Kästchen" (QR Code) vorweisen muss um ins Aachbad zu kommen. Sie wunderte sich jedoch darüber, dass dies täglich nötig ist, denn sie plant ja ohnehin jeden Tag zu kommen. Schließlich habe sie ja eine Jahreskarte. Anfangs rief sie morgens um 7.30 Uhr die zuständige Telefonnummer an um die Reservierung vorzunehmen. Als man dort merkte, dass es sich nicht nur um eine einzelne Reservierung handle und sie plane den ganzen Sommer zu kommen, erklärte man ihr sie solle jemanden aus der Verwandtschaft bitten die Reservierungen für sie vorzunehmen. Seit Mitte Juni buche ich ihr nun regelmäßig Reservierungen für die nächsten 8 Tage (länger ist nicht möglich). Einmal hatte ich es vergessen am Sonntagabend für sie die nächste Woche zu buchen. Da sie sich darauf verlassen hatte, verpasste sie den Telefontermin um 7.30 Uhr. Der Eintritt wurde ihr dann trotz Dauerkarte verwehrt. Einmal kam sie mit den 8 neuen Ausdrucken durcheinander und nahm den falschen mit. Mit viel Zähneknirschen wurde sie dann doch hereingelassen. Sie kam sich jedoch blosgestellt vor und konnte es nicht nachvollziehen. Immerhin hatte sie ja eine Jahreskarte und auch ein "Kästchen" auf dem Zettel (falscher QR Code).
Die letzten Tage waren wir in der Schweiz im Urlaub. Im Wetterbericht sah ich, dass das Wetter wieder besser wurde und buchte ihr mit schlechtem Empfang vom Handy ein Ticket, damit sie am Mittwoch wieder baden konnte. Dies schickte ich ihr als Foto auf ihr Handy. Gestern morgen entschied sie sich kurzfristig vormittags vor ihren beiden Terminen noch schwimmen zu gehen. Es waren noch kaum Gäste da. Da sie keinen QR Code hatte und ich noch auf der Rückreise war, zeigte sie an der Kasse ihre Jahreskarte und bat um eine kurzfristige Reservierung. Der Zutritt zum Bad wurde ihr erneut verwehrt. Gerade eben habe ich für sie die nächsten 8 Tage wieder für sie reserviert. Ich drücke ihr die Daumen, dass sie diesen (für sie vielleicht letzten) Sommer noch möglich viel zum Schwimmen kommt.

Das Online-Reservierungssystem finde ich grundsätzlich gut. Den meisten! Menschen kann man so etwas zutrauen. Jedoch würde ich mir wünschen, dass man hier mehr Feingefühl zeigt. Es wäre möglich an der Eintrittskasse des Aachbads spontan eine Reservierung für die wenigen Menschen vorzunehmen, die das alleine nicht mehr schaffen. Dies dauert ca 30-60 Sekunden pro Person.


Meine Großmutter ist zäh -sie gibt nicht so schnell auf. Zudem kann sie auf die Unterstützung ihrer Familie zählen. Ich frage mich jedoch wie vielen alten Menschen der Zutritt zum Freibad diesen Sommer verwehrt blieb.

Freundliche Grüße
Stephan Bilger